Donnerstag, 26. April 2012

(Queergelesen) König und Königin des Comics


Die Autorin Juliette Bensch ("Last minute Liebe") liest und schreibt über queere (Literatur-)Themen.


König und Königin des Comics
Alison Bechdel und Ralf König im Portrait

Aus gegebenem Anlass werfe ich den Blick heute mal auf Bücher, deren Inhalt weniger vom geschriebenen Wort, als vom gezeichneten Bild dominiert wird. Bilder von knollnasigen Bären und coolen Dykes. Bilder, die es ins Kino schaffen, die Literaturszene revolutionieren und sich für das stark machen, was ihre Zeichner bewegt.

Aber fangen wir mal am Anfang der Geschichte an. Es beginnt im Jahre 1960. Das ist ein guter Jahrgang. Zumindest, was Kunsttalente angeht. Es begab sich da zum einen im fernen, amerikanischen Lock Haven, Pennsylvania. Dort erblickte Alison Bechdel das Licht der Welt.
Hierzulande und lediglich einen Monat vor ihr wurde Ralf König in Soest, Westfalen geboren. Während Ralf König eine Tischlerlehre an seinen Realschulabschluss hängte, ist Alison Bechdel noch in der College-Ausbildung. Sie bewarb sich an mehreren Kunsthochschulen, wurde jedoch abgelehnt und arbeitete erstmal in verschiedenen Stellen im Verlagswesen. Er hingegen schaffte es an die Staatliche Kunstakademie Düsseldorf. Und dann geht’s los. Sie zeichnen. Auftragswerke, freiberuflich, politisch und so wie es ihnen passt. Und sie kommen raus, outen sich. Es sind die 1980er. Stonewall hat Amerika verändert. Die Schwulen- und Lesbenbewegung kämpft sich voran und begehrt gegen Paragraph 175 auf. Ralf König ist mittendrin, dokumentiert und veröffentlicht Schwulcomix. Alison Bechdel entwickelt die Dykes to watch out for, die regelmäßig in einer Zeitung erscheinen. Beide dokumentieren die Subkultur, schwul, lesbisch, deutsch, amerikanisch.

1990 veröffentlichte König zuerst Das Kondom des Grauens, eine erste längere Comic-Erzählung. Kurz darauf erschien Der bewegte Mann, erstmals bei einem großen Publikumsverlag, und wurde bald mit großem Erfolg fürs deutsche Kino verfilmt. Weitere Werke folgten Knall auf Fall und wurden in verschiedene Sprachen übersetzt. Die Knollnasen sind legendär, verhehlen nichts und sind urkomisch.

1990 hat auch Bechdel verändert. Sie konnte sich als Comiczeichnerin und Illustratorin selbstständig machen. Die Dykes to watch out for ist wie eine Soap, man kann überall in die Reihe um Mo und ihre Freundinnen einsteigen. Die Comicbände erschienen übrigens auch im Deutschen (wie ich in der zweiten Ausgabe von Queergelesen erwähnte). Bechdels großer Durchbruch erfolgte erst 2006 mit Fun Home. Der ‚Tragicomic’ (oder auch Graphic Novel) ist hochgradig autobiografisch und viel ernster und realistischer als Königs Werke. Es geht um das Heranwachsen im Familienbetrieb, einem Bestattungsunternehmen, das Erkennen ihrer Homosexualität und um den Tod ihres Vaters. Fun Home stand in Amerika auf den Bestsellerlisten und wurde auch in Deutschland deutlich wahrgenommen.

Königs Fokus lag jüngst u.a. mit den Bänden Prototyp, Archetyp und Antityp auf den Themen Religion und Religionskritik. Außerdem erschien der Sammelband Der dicke König.

Zurück zum Stein, der diesen Artikel ins Rollen gebracht hat. Ich sprach zu Beginn von einem aktuellen Anlass. Ebendieser war die diesjährige Berlinale, auf der der Dokumentarfilm Der König des Comics Premiere feierte. Gedreht wurde das Ganze von Rosa von Praunheim, Filmemacher und Legende der Schwulenbewegung. Letzten Monat war er noch in verschiedenen deutschen Kinos zu sehen.

Bechdel kündigt derweil das Erscheinen eines neuen vielversprechenden Comicbandes mit dem Titel Are You My Mother? für Mai 2012 an.

König und Bechdel haben auf unnachahmliche Weise die Schwulen- und Lesbenbewegung geprägt und waren und sind dabei unglaublich unterhaltsam, aufklärerisch und berührend. Ich bin gespannt, was wir noch von ihnen erwarten können und verneige mein Haupt vor dem König und der Königin des Comics.

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Es ändert sich nichts am Kommentieren, nur muss jetzt dieser lange untere Absatz dabeistehen. Ich danke allen, die mir einen Gruß dalassen!

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